Sozialbestattung darf nicht mit Verweis auf mögliche Ausgleichsansprüche abgelehnt werden
Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat im März 2024 entschieden, dass eine Erstattung von Bestattungskosten gemäß § 74 SGB XII nicht mit möglichen Ansprüchen gegen Verwandte und Erben abgelehnt werden kann. Der Sozialhilfeträger kann mögliche Ausgleichsansprüche gemäß § 93 SGB XII auf sich überleiten.
Der Kläger hatte die Übernahme von noch offenen Bestattungskosten gemäß § 74 SGB XII ("Sozialbestattung") eingeklagt, nachdem seine Mutter im September 2018 verstorben war. Der Kläger bezog lediglich Rente wegen voller Erwerbsminderung und ergänzend Sozialhilfe in Form von Grundsicherung.
Die Verstorbene hatte zu Lebzeiten einen Bestattungsvorsorgevertrag mit einem Bestattungsunternehmen abgeschlossen. Aus einer Lebensversicherung wurden anlässlich des Todesfalls 5.776,08 Euro an das Bestattungsunternehmen ausgezahlt. Offen waren allerdings noch Friedhofsgebühren in Höhe von 1.091,23 Euro. Der bestattungspflichtige Kläger hatte die Erbschaft seiner Mutter ausgeschlagen.
Die zuständige Sozialbehörde lehnte die Übernahme der Friedhofsgebühren gemäß § 74 SGB XII mit der Begründung ab, weitere Verwandte und Erben seien vorrangig verpflichtet. Dem Kläger sei die Inanspruchnahme der weiteren Verwandten und Erben auf Grundlage des sozialhilferechtlichen Nachrangrundsatzes zumutbar.
Das LSG NRW entschied – anders als noch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen – zu Gunsten des Klägers, dass ihm eine vorrangige Inanspruchnahme seiner sonstigen Verwandten und der Erben der Verstorbenen nicht zumutbar sei. Seine Ausgleichsansprüche seien zweifelhaft und deshalb eventuell eine gerichtliche Durchsetzung erforderlich. Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich bei diesen möglichen Ausgleichsansprüchen des bestattungspflichtigen Klägers nicht um zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB XII. Zudem hatte der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, Ausgleichsansprüche des Klägers gemäß § 93 SGB XII auf sich überzuleiten. Außerdem, so das Gericht, durfte dem Kläger auch nicht im Rahmen der Zumutbarkeit gemäß § 74 SGB XII das Prozessrisiko auferlegt werden. Der Kläger kannte die Verwandten und möglichen Erben nicht näher und wusste auch nicht, in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis diese zu seiner verstorbenen Mutter standen.
Quelle: Landessozialgericht NRW, Urteil v. 21.03.2024, Az. L 9 SO 216/23