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Sozialbestattung: Anspruchsteller müssen sich nicht auf ungewissen Prozess mit Erben einlassen

Urteil des Bundessozialgerichts

Justitia-Statue mit verbundenen Augen und Waage in der Hand

Gemäß § 1968 BGB Erbe tragen die Erben eines Verstorbenen letztendlich die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Unabhängig davon sind in der Regel zunächst die bestattungspflichtigen Angehörigen eines Verstorbenen verpflichtet, für dessen Bestattung zu sorgen. Wenn Bestattungspflichtige über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügen, können sie einen Antrag für eine sogenannte „Sozialbestattung“ stellen. Die Kosten werden dann, wenn die Voraussetzungen des § 74 SGB XII vorliegen, vom Sozialamt getragen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat nun per Urteil klargestellt, dass gegenüber einem Bestattungspflichtigen der Antrag gemäß § 74 SGB XII nicht unter Verweis auf seinen Anspruch gegen Erben des Verstorbenen nach § 1968 BGB abgelehnt werden kann. Ein Bestattungspflichtiger muss sich nämlich nicht auf einen Prozess mit ungewissem Ausgang einlassen. Vielmehr hat der Träger der Sozialhilfe den Anspruch gegen den oder die Erben auf sich gemäß § 93 SGB XII überzuleiten. Denn dem zuständigen Träger der Sozialhilfe ist - im Gegensatz zu Bestattungspflichtigen - das Prozessrisiko zumutbar.

Die Klägerin in dem Verfahren vor dem BSG, deren Ehemann verstorben war, hatte beim zuständigen Sozialamt die Übernahme der Bestattungskosten beantragt und die Bestattung veranlasst. Die Klägerin hatte zudem, im Gegensatz zu ihrem Sohn, die Erbschaft ausgeschlagen. Das Sozialamt lehnte jedoch die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die Klägerin habe keinen Anspruch gemäß § 74 SGB XII, weil allein ihr Sohn als Erbe zur Kostentragung gemäß § 1968 BGB verpflichtet sei.

Das BSG entschied in letzter Instanz zu Gunsten der Klägerin, dass die erforderlichen Kosten der Bestattung gemäß § 74 SGB XII vom Sozialträger zu übernehmen waren, weil der hierzu Verpflichteten Klägerin nicht zugemutet werden konnte, die Kosten zu tragen. Die Klägerin war aufgrund der landesrechtlichen Bestattungsvorschriften bestattungspflichtig. Dem stand nicht entgegen, dass ihren Sohn als Erben die (endgültige) Pflicht zur Tragung der Beerdigungskosten traf. Die Anspruchsberechtigung der Klägerin als Verpflichtete gemäß § 74 SGB XII, so das Gericht, wurde nicht durch die Kostentragungspflicht des Erben ausgeschlossen.

Nach § 1968 BGB tragen zwar Erben die Kosten einer Beerdigung eines verstorbenen Erblassers. Den nach den landesrechtlichen Bestattungsgesetzen verpflichteten Bestattungspflichtigen steht der Erstattungsanspruch nach § 1968 BGB gegen Erben auch zu, sodass die endgültige Kostenlast die Erben trifft. Dies führt jedoch nicht zu einem Fortfall der Anspruchsberechtigung gemäß § 74 SGB XII der bestattungspflichtigen Personen.

Die Klägerin war bedürftig im Sinne der sozialhilferechtlichen Vorschriften. Sie war vermögenslos und bezog neben einem Gehalt aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis ergänzende Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“). Sie durfte nach Ansicht des BSG nicht auf Ausgleichsansprüche gegen ihren Sohn, den Erben, verwiesen werden; denn die Durchsetzung dieses Anspruchs erschien nicht ohne Weiteres realisierbar. Der Nachlass selbst war zur Deckung der Bestattungskosten nicht ausreichend. Er bestand nur aus gebrauchten Möbeln und einem Fernseher. Auch die Leistungsfähigkeit des Sohnes war zweifelhaft, denn er bezog Sozialleistungen. Das Prozessrisiko für einen Ausgleichsanspruch gemäß § 1968 BGB gegen den Erben war nach Ansicht des Gerichts derart hoch, dass ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Betroffener sich hierauf nicht eingelassen hätte.

Quelle: BSG, Urteil v. 12.12.2023, Az. B 8 SO 20/22 R