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Bericht zur Europäischen Trauerkonferenz 2024 in Dublin

Bedarfsgerechtes Handeln und Aufbau von Kooperationsnetzwerken

Ein Beitrag von Hildegard Willmann, freiberufliche Mitarbeiterin von Aeternitas e.V., Beirätin der Informationswebsite www.gute-trauer.de und Mitherausgeberin des Newsletters „Trauerforschung im Fokus“ (www.trauerforschung.de). Sie war Tagungsteilnehmerin in Dublin.

Zwei Tage im November nur Trauerthemen - das hört sich grau und bedrückend an! Doch es wurde für mich zu einer bunten und inspirierenden Zeit. Denn es war eine - vor allem aus deutscher Sicht - außergewöhnliche Veranstaltung.

Die europäische Trauerkonferenz, die zweite ihrer Art, stand unter dem Motto "Trauer - bedarfsgerechtes Handeln und Aufbau von Kooperationsnetzwerken".

Organisiert und ausgerichtet wurde sie von vier Institutionen. Darunter das Bereavement Netwerk Europe, einem noch ganz jungen Zusammenschluss von TrauerforscherInnen und PraktikerInnen, die fachlich mit Trauer befasst sind, sowie dem Danish National Center for Grief. Gastgeber in Irland war die Irish Hospice Foundation in Partnerschaft mit dem RCSI University of Medicine and Health Sciences.

Erklärtes Ziel der OrganisatorInnen und VeranstalterInnen der Konferenz war es, ForscherInnen und PraktikerInnen zusammenzubringen, damit sie sich austauschen, voneinander lernen und sich vernetzen können und so gemeinsam dazu beitragen, in ganz Europa eine evidenzbasierte, wirksame und kulturell sensible Trauerversorgung aufzubauen.

Das Tagungsprogramm orientierte sich am 4-stufigen-Trauerversorgungsmodell, gerne auch Versorgungspyramide genannt, einem evidenzbasierten Public-Health-Ansatz, der deutlich macht, welche Personengruppen von welcher Form der Unterstützung profitieren. Jeweils ein halber Konferenztag war einer dieser Ebenen gewidmet: Ebene0 = gesellschaftliche Trauerkompetenz & Sensibilisierung der Öffentlichkeit; Ebene 1 = Allgemeine Unterstützung und Information für Menschen mit normaler Trauer; Ebene 2 = Prävention und zusätzliche Unterstützung für Trauernde mit Risikofaktoren; Ebene 3 = Diagnose & Therapie von behandlungsbedürftigen Trauerreaktionen.

Und was machte die Konferenz so außergewöhnlich?

Da war zum einen das breit gestreute und qualitativ hochwertige Programm: besonders beeindruckt hat mich da zum Beispiel der Impulsvortrag von Prof. Samar Aoun aus Australien. Prof. Aoun hat untersucht, welche Formen von Unterstützung Trauernde als hilfreich erleben und konnte aufzeigen, dass diese sich von ihrem direkten sozialen Umfeld am besten unterstützt sahen. Auf der Grundlage ihrer Arbeiten wurde die Versorgungspyramide, das vierstufige Modell der Trauerversorgung entwickelt. Prof. Aoun zu hören, war der perfekte Auftakt für eine Tagung, die genau diese Pyramide als Ordnungsstruktur für das Tagungsprogramm gewählt hatte. Was ich mitgenommen habe: Es wäre eine fatale Entwicklung, wenn TrauerexpertInnen der Gesellschaft den Eindruck vermitteln, dass Trauer generell professioneller Versorgung bedarf. Denn dies hätte zur Folge, dass sich das alltägliche soziale Umfeld selbst als nicht ausreichend qualifiziert erlebt und aus der Unterstützung zurückzieht. Detail am Rande: in einer Studie von Aoun schätzen die Hinterbliebenen die Unterstützung durch Bestatter als sehr hilfreich ein (gleich hoch wie durch Familie und Freunde). Die Zufriedenheit ist damit deutlich höher als die mit BeraterInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, etc.

Deutschland war unter den Vortragenden gut vertreten: Bettina Döring von der Universität Kiel, Willi Heuse, Bestatter aus Frankfurt, Rita Rosner und Anna-Maria Rummel von der katholischen Universität Eichstätt-Inglostadt, Birgit Wagner von der Medical School Berlin, Caroline Wanza von der Phillips-Universität Marburg.

Sehr beeindruckt hat mich der hohe Stellenwert von Trauerversorgung in anderen Ländern. Können Sie sich vorstellen, dass in Deutschland eine Landesregierung dafür zuständig ist, einen nationalen Rahmen für die Sicherstellung adäquater Trauerversorgung zu schaffen? So etwas gibt es beispielsweise in Wales.

Die Irish Hospice Foundation und die RCSI University of Medicine and Health Sciences sorgten für reibungslose Abläufe und eine hervorragende Verpflegung direkt in den Konferenzräumen. Unzählige freiwillige Helferinnen der IHF halfen engagiert und freundlich allen, die eine Frage hatten.

Insgesamt war es eine sehr weiblich geprägte Veranstaltung, die Organisation lag überwiegend in den Händen von Frauen und unter den Teilnehmenden gab es weniger Männer als Frauen. Ob die besondere Atmosphäre daran lag, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls herrschte insgesamt eine lockere, offene, an Austausch interessierte und unprätentiöse Stimmung. Es war leicht, mit ReferentInnen und TeilnehmerInnen ins Gespräch zu kommen. Von den Organisatorinnen war genau dies ein wichtiges Ziel der Veranstaltung: Sie wollten bewusst zu einer wechselseitigen Wertschätzung für die Perspektiven und Initiativen sowohl von ForscherInnen als auch von PraktikerInnen beitragen. Ein organisiertes Speed-Networking-Event sollte erreichen, dass interessierte TeilnehmerInnen sich gezielt kennenlernen und Netzwerke bilden können. Und natürlich gab es auch einen gemeinsamen Abend in einem irischen Pub!

Mein Fazit: Mich hat die Verbindung von fachlichem Input und gegenseitigem Kennenlernen sehr inspiriert. Mir ist einmal mehr klar geworden, dass Deutschland noch viel Arbeit vor sich hat, wenn es um das Thema Trauerversorgung geht. Und ich freue mich schon auf die nächste Trauerkonferenz. Diese wird in zwei Jahren in Portugal stattfinden. Ich werde wieder dabei sein!